Männliche Schopfmakaken reagieren häufiger auf die Hilferufe verwandter Jungtiere



Bio-News vom 30.08.2023

Männliche Schopfmakaken (Macaca nigra) reagieren häufiger auf die Hilferufe ihrer Kinder, wenn diese an Konflikten beteiligt sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Rahmen des Macaca Nigra Projektes (MNP) kürzlich abgeschlossen wurde. Die Forschenden untersuchten dafür über 24 Monate (2008 bis 2010) im Tangkoko-Naturreservat auf Sulawesi (Indonesien) das Verhalten von Schopfmakaken.

Primatenkinder sind vielen Gefahren ausgesetzt. Daher sind sie besonders in ihrem ersten Lebensjahr auf Hilfe angewiesen, um zu überleben. Mütter übernehmen bei Primaten die Hauptlast der elterlichen Fürsorge. Väter können ihren Kindern zum Beispiel Schutz in Konflikten geben, da auch für Männchen das Überleben ihrer Kinder für die Weitergabe ihrer Gene essentiell ist.


Schopfmakakenkinder erlernen viele artspezifische Verhaltensmuster beim Spielen mit Altersgenossen.

Publikation:


Daphne Kerhoas, Lars Kulik, Dyah Perwitasari-Farajallah, Antje Engelhardt & Anja Widdig
Do Wild, Male, Crested Macaques (Macaca nigra) Respond to the Screams of Infants Involved in Agonistic Interactions?

Int J Primatol 44, 626–648 (2023)

DOI: 10.1007/s10764-023-00381-8



„Viele Primatenarten leben in Gruppen bestehend aus mehreren Männchen und Weibchen. Aufgrund des promisken Paarungsverhaltens stellt sich die Frage, ob Männchen ihre genetischen Kinder überhaupt erkennen können. Das Ziel dieser Verhaltensstudie war es daher, die Reaktionen von Männchen auf Hilferufe von Jungtieren zu untersuchen“, sagt Prof. Anja Widdig, leitende Verhaltensökologin von der Universität Leipzig.


Eine Drohgebärde eines männlichen Schopfmakaken. Die Männchen konkurrieren stark um soziale Dominanz, unterstützen ihre Kinder jedoch auch wenn diese in Konflikte verwickelt sind.

Ihr Team beobachtete Konflikte, in die Jungtiere verwickelt waren. Um Unterstützung zu erhalten, sendeten sie Hilferufe aus. In über 3.600 Bobachtungsstunden in drei Studiengruppen registrierten die Forschenden über 2.600 Hilferufe. Anschließend analysierten sie die Reaktionen der männlichen Schopfmakaken auf die Hilferufe der Kinder.

Die Forschenden stellten fest, das Männchen häufiger auf die Hilferufe von Kindern reagierten, wenn sie dessen Vater, dessen Freund und/oder der Freund der Mutter waren. Darüber hinaus kamen Männchen dem schreienden Nachwuchs eher zu Hilfe, wenn sie selbst einen hohen Dominanzrang innehatten, also sehr wahrscheinlich viele dieser Kinder selbst gezeugt hatten oder das schreiende Kind und dessen Mutter einen niedrigen Dominanzrang hatten und deshalb besonders auf Hilfe angewiesen waren. Hingegen war die Anwesenheit der Mutter am Konfliktort nicht entscheidend dafür, ob Männchen auf Hilfeschreie der Kinder reagierten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass Schopfmakaken-Männchen möglicherweise über einige Anhaltspunkte verfügen, um beurteilen zu können, welches Jungtier sie gezeugt haben. Dennoch scheinen die Männchen generell selten zu intervenieren und auch nichtverwandten Jungtieren zu helfen. Die erhobenen Daten zeigten beispielsweise, dass um Hilfe schreiende Kinder hauptsächlich mit erwachsenen Männchen (42 Prozent) oder Weibchen (46 Prozent) aus ihrer Sozialgruppe in Konflikte verwickelt waren. Möglicherweise schätzen Männchen also das Risiko ihres Eingreifens ab, um potenzielle Konflikte mit männlichen Rivalen zu vermeiden.

„Obwohl frühere Studien zu dieser Primatenart ergaben, dass Väter nicht gezielt Sozialbeziehungen zu ihren Kindern aufbauen, so zeigt unsere jüngste Studie, dass Väter in die Unterstützung ihrer Nachkommen investieren, wenn auch sehr begrenzt“, betont Prof. Widdig. Dies würde die Ergebnisse anderer Studien bestätigen, denen zufolge Männchen mit ihrem Nachwuchs soziale Bindungen aufbauen oder ihre Kinder an den Fütterungsplätzen dulden, ihren Nachwuchs aber nur selten aktiv in Konfliktsituationen unterstützen. Die Forschenden gehen ihren Beobachtungen entsprechend davon aus, dass jede Form der väterlichen Fürsorge subtil und auf bestimmte Situationen beschränkt ist, sich aber möglicherweise angesichts der hohen Kindersterblichkeit bei Schopfmakaken im Laufe der Evolution herausgebildet hat.

Erklärungen für die väterliche Zurückhaltung gibt es mehrere: Die einfachste könnte sein, dass Schopfmakaken-Kinder nicht von räumlichen Assoziationen und Bindungen mit ihrem Vater profitieren, so dass weder Väter noch Kinder tagtäglich in solche Beziehungen investieren. Eine andere Erklärung könnte Zeitmangel sein. Obwohl es potenziell vorteilhaft wäre, haben Väter möglicherweise keine Zeit, sich häufig mit ihren Kindern zu beschäftigen. Die Zeit der Männchen für die Interaktion mit dem Nachwuchs scheint stark einschränkt zu sein, was die Forschenden damit in Zusammenhang bringen, dass Schopfmakaken im Durchschnitt nur 12 Monate ihren Alphastatus verteidigen können. Die Männchen investieren daher wahrscheinlich diese gesamte Zeit in die Paarung mit möglichst vielen fruchtbaren Weibchen, bevor sie in eine andere Gruppe abwandern. „Ob es sich bei der Unterstützung von Jungtieren durch nicht verwandte Männchen tatsächlich um eine aktive männliche Strategie oder um eine Fehleinschätzung der Vaterschaft durch das Männchen handelt, ist noch unklar“, sagt die Verhaltensökologin.



Das MNP betreibt eine Feldstation auf Sulawesi (Indonesien), einer Insel, die als Hotspot der Biodiversität bekannt ist. Die Feldarbeit wird im Tangkoko-Naturreservat durchgeführt, das an der nördlichsten Spitze von Sulawesi liegt und mehr als 8.700 Hektar umfasst. Hier wird eine der größten verbliebenen Populationen der vom Aussterben bedrohten Schopfmakaken in ihrer natürlichen Umgebung untersucht. Der Schwerpunkt des MNPs liegt auf Forschung, Umweltbildung und Naturschutz. Neben Untersuchungen zum Verhalten, der Physiologie und Ökologie dieser Art engagiert sich das Projekt zusammen mit lokalen Behörden und Nichtregierungsorganisationen für die Erhaltung dieser Primatenart. Langzeitdaten zu etwa 500 Tieren in ihrer natürlichen Umgebung, von ihrer Geburt bis zum Tod, bieten bedeutsame Einblicke in die soziale Evolution und Verhaltensökologie von Primaten, aber auch in die genetische Vielfalt und Inzuchtdepression, die Ökologie und den Klimawandel, was den interdisziplinären Forschungsansatz des Projekts verdeutlicht.



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Leipzig via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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